2023 Bildungsgsfahrt nach Grenoble, Trièves und Vercors

Mitte Juni reiste eine zehnköpfige intergenerationelle Gruppe des BDP LV Sachsen in die südostfranzösische Region um Grenoble. Gemeinsam mit französischen Teilnehmer*innen des Austauschs beschäftigten wir uns mit der Geschichte des Widerstands (Résistance) gegen den Faschismus während des zweiten Weltkriegs. Den ersten Tag verbrachten wir in Grenoble, wo wir andere Teilnehmer*innen kennenlernten und das grundlegende Museum des Widerstands und der Zusammenarbeit (Musée de la Résistance et de la Collaboration) besuchten. Anschließend machten wir uns auf in die Bergregion Trièves, wo wir unsere Unterkunft eine Art Mitmachherberge – Gîte genannt – bezogen.

Die Gîte war ein super Ausgangspunkt für unsere Exkursionen. Dort konnten wir uns besser kennen lernen, im schönen Garten mit Bergkulisse zur Ruhe kommen und uns an gutem Essen stärken. Auch nähere inhaltliche Beschäftigung war dort gut möglich und dank der Übersetzungstechnik konnten wir dort sogar gleichzeitig übersetzt – simultan gedolmetscht – in beiden Sprachen diskutieren.

Bei mehreren Tageswanderungen mit einem lokalen Bergführer und Sachkundigem in Fragen zu Flora & Fauna, vor allem aber auch zur Geschichte der Résistance und ihrer Verstecke, Maquis genannt, konnten wir die damaligen Ereignisse vor Ort erfahren. Unter anderem erkundeten wir hierbei die Maquis von Tréminis, Percy als auch die Grotte des Résistants.

In diesen Maquis sammelten sich Personen, die aufgrund politischer Ablehnung des Faschismus diesen bekämpften und/oder sich der Verfolgung durch die deutschen Nazis, italienischen Faschisten oder französischen Kollaborateur*innen in Frankreich entziehen mussten. Vor allem die Einführung des Zwangsarbeitsdienst STO im Februar 1943 für französische Männer nach Deutschland bewegte viele junge Franzosen in die Berge.

Bereits deutlich früher existierten Maquis kommunistischer Partisan*innenverbände wie beispielsweise die der Francs-Tireurs et Partisans (FTP).

Die auch Maquisards genannten Résistants versuchten den widrigen Bedingungen wie Hunger und Kälte zu trotzen. Wo möglich wurden Attentate und Sabotageaktionen verübt. Solche militärische Aktionen wären jedoch ohne vielfältige Netzwerke und weniger sichtbare Aufgabenbereiche wie Kuriertätigkeiten, Beherbergung, Fluchthilfe, Einlagerung, Untergrundpresse, Fälschung von Papieren, Sekretariat, Versorgung und Spionage, die oftmals maßgeblich von Frauen ausgeübt wurden, nicht möglich gewesen.

Eine besondere Bedeutung in der Geschichte der Résistance kommt der Mobilisierung auf das Hochplateau des Vercors-Gebirgszugs zu. Zeitgleich zur Landung der Allierten in der Normandie im Juni 1944 sollten weitere Truppen der Allierten ebenfalls im Vercors landen, so der Plan der Résistance-Kämpfer*innen. Aus verschiedenen Gründen – die mehrheitlich kommunistischen Kämpfer*innen vermuteten, dass es am stärksten an ihrer politischen Positionierung und einer anderen Ausrichtung der Allierten und de Gaulles gelegen habe – kam es nicht zur groß angelegten Unterstützung durch die Allierten im Vercors. Auf der eigens dafür planierten Landebahn landeten statt dessen die Nazis der Wehrmacht mit Flugzeugen und umstellten zudem den Gebirszug mit schätzungsweise 10.000 Soldaten. Während dieser Wehrmachtsoffensive gegen die schätzungsweise 4.000 mobilisierten Résistance-Kämpfer*innen kam es zu zahlreichen Massakern und Kriegsverbrechen. Dabei töteten die Deutschen 201 Zivilist*innen und 639 Maquisard*innen. Der Ort Vassieux-en-Vercors, wo die Maquisard*innen die provisorische Landebahn geschaffen hatten, war besonders stark von den Vergeltungsaktionen betroffen.

In Vassieux besichtigten wird einen Gedenkort mit angeschlossenem Museum, als auch ein ursprünglich von einem Maquisard mit viel Originalmaterial geschaffenes Museum sowie weitere Orte des damaligen Geschehens, die in dem kleinen Dorf noch erkennbar sind.

Neben den vielen historischen Orten der Maquis, an denen wir Geschichte vor Ort erleben konnten, beschäftigten wir uns in Workshops und Diskussionen viel mit unterschiedlichen Widerstandsformen und deren Wertschätzung, Gewichtung und Sichtbarkeit. Die Bedeutung der Region als Zufluchtsort für jüdische Menschen und deren Verfolgung während der verschiedenen Besatzungsphasen war ebenfalls ein Schwerpunkt. Die Thematiken des jüdischen Lebens, Kollaboration und Widerstandsformen wurden teilweise als Leerstellen empfunden für die weitergehende Auseinandersetzung notwendig scheint. Auch Gedenkkultur, staatliches Gedenken und dominante Narrative sowie alternative Formen des Erinnerns waren Gegenstand von Diskussionen innerhalb der Gruppe und mit lokalen Akteur*innen der Gedenkarbeit.

Bei vielen Gesprächen wurde geäußert, dass die Tage in den Bergen des Trièves und des Vercors eine Auseinandersetzung mit bislang für sie unbeleuchteten Aspekten der Geschehnisse und Verbrechen der Wehrmacht & Kollaborateur*innen in dieser Region Frankreichs angeregt und intensiviert hatte. Auch die Frage nach kritischen Gedenkinterventionen und zu recherchierender Geschichte schrieben sich die lokalen und angereisten Teilnehmer*innen in ihre Notizbücher für Kommendes.

Die Bildungsfahrt wurde durch den Deutsch-Französischen Bürgerfonds gefördert.

Die Maßnahme wird mitfinanziert mit Steuermitteln auf Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.